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Ist die Beschneidung eines Jungen aus religiösen Gründen durch einen Arzt strafbar?

Mit dieser Fragestellung hatte sich das Amtsgericht Bonn jüngst zu befassen. Die Staatsanwaltschaft Bonn hatte einem Arzt vorgeworfen, er habe vorsätzlich ohne wirksame Einwilligung anderer Personen durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitlichen Stoffen mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt, wobei in einem Fall eine das Leben gefährdende Behandlung vorgelegen habe.

Betroffen waren zwei Beschneidungen. Im Fall 1 wies die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die Beschneidung an einem etwa 4 Monate alten Säugling ohne Komplikationen verlaufen sei. Gleichwohl meinte die Staatsanwaltschaft es läge eine gefährliche Körperverletzung vor. Dies deshalb, weil der Arzt nicht die hygienischen Bedingungen und Methoden der ärztlichen Kunst angewendet habe und nicht über eine ausreichende fachärztliche Kenntnis für die Beschneidung an Säuglingen verfügt habe.

In dem 2. Fall, den die Staatsanwaltschaft zur Anklage gebracht hat, ging es um die Beschneidung eines 3 Monate alten Säuglings. Nach der Beschneidung kam es bei diesem Säugling zu Komplikationen. Der Säugling musste mit einem Krampfanfall notfallmäßig in das Universitätsklinikum gebracht und dort intubiert werden. Der Säugling konnte bereits einen Tag in gutem Allgemeinzustand entlassen werden.

Bleibende Schäden hat weder das eine noch das andere Kind davongetragen.

Die Strafbarkeit der Beschneidung von männlichen Personen ist nach deutschem Strafrecht nach wie vor nicht abschließend geklärt. Es werden eine Vielzahl von unterschiedlichen, zum Teil diametralen Auffassungen vertreten, wobei teilweise religiöse, kulturelle und politische Überzeugungen die Argumentation bzw. Diskussion beherrschen.

Das Landgericht Köln hatte im Jahre 2012 entschieden, die Einwilligung der Sorgeberechtigten entspreche grundsätzlich nicht dem Wohl des Kindes, weil sie auf eine bleibende, grundsätzlich irreparable Veränderung des Körpers gerichtet sei. Sie dienten zwar möglicherweise der Selbstbestimmung der Sorgeberechtigten, achte und verwirkliche aber nicht das Selbstbestimmungsrecht des Kindes. Eine rechtfertigende Wirkung ergebe sich danach weder aus einer medizinischen Notwendigkeit (als Prophylaxe) noch aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit.

Obwohl das Landgericht Köln den objektiven und subjektiven Tatbestandes einer Körperverletzung angenommen hat, hat es das Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums bejaht, sodass die Betroffenen freigesprochen worden sind.

Gleichwohl hat die Entscheidung des Landgerichtes Köln eine große Diskussion veranlasst und zu gesetzgeberischen Aktivitäten geführt.

Eine Entschließung des Bundestages forderte eine unverzügliche gesetzliche Regelung, die es „unseren jüdischen und moslemischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ermöglicht, ihren Glauben frei auszuüben“.

Der Gesetzgeber hat – sozusagen als Antwort auf die Entscheidung des Landgerichtes Köln – in § 1631 d BGB eine bereichspezifische Regelung eingeführt und damit einen zivilrechtlichen Ansatz der Rechtfertigung gewählt. Nach § 1631 d Abs. 1 BGB umfasst die Personensorge auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

Nach § 1631 d Abs. 2 BGB dürfen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gem. Abs. 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

Diese gesetzlichen Regelungen sind in jeder Hinsicht „verunglückt“. Ob sie dem Verfassungsgrundsatz der Bestimmtheit entsprechen, ist zweifelhaft. Jedenfalls hat man bei der Rechtsanwendung erhebliche Probleme, weil vieles ungeklärt ist und die Regelungen in Abs. 1 und Abs. 2 sich auch noch widersprechen.

Das Amtsgericht Bonn ist nach einer mehrstündigen Diskussion der einzelnen rechtlichen Aspekte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verfahren sowohl gegen die Eltern als auch gegen den betroffenen Arzt einzustellen ist.

Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber sich veranlasst sieht, die verunglückte Regelung durch eine praktikable rechtssichere Norm zu ersetzen, damit sowohl Eltern als auch Ärzte, die Beschneidungen durchführen, rechtssicher agieren können.

Da unser Kollege, Dr. Stefan Hiebl, das vorliegende Verfahren für den betroffenen Arzt geführt hatte, stehen wir bei gleichen oder ähnlichen Problemen, Anklagen oder Beschuldigungen gerne zur Verfügung.