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Mordmerkmal der Heimtücke trotz aufheulendem Motor?
Der Bundesgerichtshof musste sich in einer Entscheidung vom 20.06.2024 mit einem Fall befassen, in dem der Täter während einer Autofahrt auf dem Gehweg zufällig den Mann entdeckte, mit dem seine Mutter eine außereheliche Beziehung führte. Hieraufhin stoppte der Täter sein Auto, setzte dieses bis zu einer abgesenkten Bordsteinkante zurück und fuhr schließlich mit durchgedrücktem Gaspedal im ersten Gang – und deshalb laut aufheulendem Motor – auf den Mann und seine Begleiterin zu. Es kam zu einer Kollision mit den beiden Personen, wobei tödliche Verletzungen jedoch ausblieben. In dem Verfahren ging es nunmehr um die Frage, ob sich der Täter wegen versuchten Totschlags oder wegen versuchten Mordes strafbar gemacht hat.
Die Tötung eines Menschen wird rechtlich nur dann als Mord gewertet, wenn ein sogenanntes Mordmerkmal vorliegt. In dem verhandelten Fall kam das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht. Dafür müsste der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Willensrichtung bewusst zur Tötung ausgenutzt haben. Arglos ist das Opfer, wenn es von Seiten des Täters keinen Angriff gegen sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit erwartet. Wehrlos ist das Opfer, wenn es infolge der Arglosigkeit in seiner Abwehrbereitschaft und -fähigkeit erheblich eingeschränkt ist.
Insofern war vorliegend aufgrund des der Kollision unmittelbar vorhergehenden laut vernehmbaren Motorengeräusches zweifelhaft, ob das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt angesehen werden kann. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht lehnte dies mit der Begründung ab, dass dem Täter das erforderliche Ausnutzungsbewusstsein gefehlt habe. Denn er habe damit rechnen müssen, dass der Mann und seine Begleiterin ihn aufgrund des aufheulenden Motors wahrnehmen werden. Im Rahmen der dagegen gerichteten Revision der Staatsanwaltschaft stellte der BGH hingegen fest, dass der Bejahung des Mordmerkmals der Umstand des laut aufheulenden Motors nicht entgegenstehe. Der Senat führt diesbezüglich aus, dass das erforderliche Ausnutzungsbewusstsein bereits dann vorliegt, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers „in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen“. In der konkreten Tatsituation sahen sich beide Opfer trotz Aufheulen des Motors nicht um, da sie dieses irrtümlich mit der Parkplatzsuche eines Fahrers in Verbindung brachten. Folglich muss auch der Täter mangels Umdrehens der Opfer deren Arglosigkeit erkannt haben.